Männerseminar "Sexualität während und nach der Sucht"
26 Teilnehmer aus den Gruppen Bautzen, Döbeln, Ebersbach-Neugersdorf, Hoyerswerda, Kamenz, Niesky, Plauen und Torgau sowie die Dozentin Fr. Jacqueline Bramborg hatten sich zusammengefunden, um über das Thema "Sex während und nach der Sucht" zu sprechen. Bereits letztes Jahr wurde erfragt, ob bei diesem heiklen Thema eine Frau als Dozentin okay ist. Wie die Teilnehmerzahl beweist, schien es da keine Hemmungen zu geben.
Bereits in der Vorstellungsrunde, jeder sollte eigentlich nur seine Erwartungen an dieses Wochenende benennen, kamen z.T. sehr intime Wahrheiten aus vergangenen und heutigen Zeiten ans Licht. Da war die Sprache von Sex als Druckmittel, fremdgehen, eingeschlafenem Sexbedürfnis, Selbstbefriedigung, Schamgefühl, Bordellbesuchen ohne wirkliche Befriedigung, Impotenz als Folge von Medikamenten aber auch gutem und erfülltem Sexleben.
Alle waren sehr offen. Manche Aussagen lösten Betroffenheit aus, andere landeten mit skurrilen Umschreibungen einen Lacher. Ich kann schon mal eines vorwegnehmen - meine Befürchtungen, wir könnten dieses Thema entweder wissenschaftlich trocken angehen oder zu sehr ins Lächerliche ziehen, hat sich in keinster Weise bestätigt. Es gelang uns, alles mit dem gebührenden Ernst zu behandeln und haben den Humor trotzdem nicht zu kurz kommen lassen.

Der Samstag begann mit einem Spiel. Diverse Fragen zur sexuellen Resilienz, Kommunikation und Unzufriedenheit bei Männern wurden gestellt. Die Antwortsuche gestaltete sich so, dass sich die Anwesenden wahlweise gegenseitig interviewten. Dabei kam heraus, dass manches Problem bei Männern Druck erzeugen kann oder Sex altersabhängig anders bewertet wird (Jugend: Sex intensiver, Alter: leibliche Nähe reicht). Männer schieben oft schon Panik, wenn Frauen nur über Probleme reden wollen. Dabei erwarten diese laut Fr. Bramborg manchmal gar nicht, dass Männer gleich mit einer Lösung um die Ecke kommen, sondern wollen einfach nur, dass ihre Partner zuhören.
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Soll das Thema Sex allumfassend beleuchtet werden, macht es natürlich Sinn, zunächst einmal auf die hormonellen sowie physiologischen Unterschiede beider Geschlechter einzugehen. Dabei ging es um Testosteron, Progesteron, Östrogen sowie die unübersehbaren äußeren Unterschiede. Doch es gibt auch Gegensätze, welche in verschiedenen kulturellen und sozialen Situationen begründet sind. In diesem Zusammenhang kamen konventionelle Sichtweisen, Erziehung und durch Medien erzeugte Bilder zur Sprache.
Auch die partnerschaftlichen Treue darf in einer Diskussion über Sexualität nicht fehlen. In der sehr offen geführten Debatte wurden die mannigfaltigsten Auslegungsmöglichkeiten erörtert. Die Ansichten können dabei, abhängig von den in der Vergangenheit begründeten Sichtweisen, von sehr streng (bereits freundschaftliche Umarmungen werden nicht toleriert) bis zur offenen Beziehung variieren. Beim Thema Treue gibt's keine klar definierte Grenzen. Hier ist es wichtig, miteinander zu reden und die Meinung des Partners zu akzeptieren.
Als wir sexuelle Unzufriedenheit und Resilienz thematisierten, wurde natürlich parallel dazu, auch die Befriedigung beleuchtet. Außer den anatomischen Verschiedenheiten, sind Erreichen und Erleben eines Höhepunkts bei ♂ und ♀ anders. Für Männer ist das meist mit einem Orgasmus verknüpft. Frauen sehen Befriedigung ganzheitlicher. Für sie spielen außerdem emotionale Nähe, Atmosphäre und Kommunikation eine Rolle. Beidseitige Befriedigung benötigt auf jeden Fall eine gemeinsame Basis, welche auf Vertrauen, Respekt und Aufmerksamkeit beruht. Frau Bramborg erklärte uns Männern, was für sie wichtig ist (z.T. recht banale Gesten wie Einkaufstüte abnehmen, Komplimente, kleine Aufmerksamkeiten). Ein Teilnehmer brachte im Zusammenhang mit der Befriedigung die Phantasie ins Spiel. Er konnte diese mit seiner Frau nicht ausleben, hat sich Erfüllung durch Fremdgehen gesucht. Seit erfolgter Beichte des Fehltritts und einem ausgiebigen Gespräch haben sie ein besseres Sexleben.
Da sich beide Partner auch während der 'nassen Phase' weiterentwickeln, kann mit erlangter Abstinenz ein neues Kennenlernen und die Neuentdeckung der Sexualität nötig werden. Es wurde deutlich, dass durch Alkohol bedingtes Fehlverhalten beim Partner Enttäuschungen und Misstrauen erzeugt wurden, welche sehr lange vorhalten können. Elternpaare sollten nicht vergessen, dass nicht nur Kinder, sondern auch sie Bedürfnisse haben, deren Befriedigung nicht hinten anstellt werden darf. Zur Konfliktlösung eignen sich 'Ich-Botschaften' besser als 'Du-Botschaften'. "Ich wünsche mir…" klingt allemal besser als "Du bist schuld an…". Förderlicher ist es auch, Gespräche nicht erst in der Krise, sondern präventiv zu führen. Dabei können schon einmal Gemeinsamkeiten gefunden oder Grenzen in Bezug auf die Bedürfnisbefriedigung festgelegt werden. Man darf nicht erwarten, dass Partner Wünsche erahnen. Daher sollte jeder bei der Bedürfnisbefriedigung die Initiative ergreifen. Wir sprachen auch über die Wesensveränderungen unter Alkohol und später mit wieder erlangter Abstinenz.
Ursachen sexueller Unzufriedenheit können Erkrankungen, hormonelle Veränderungen (z.B. Wechseljahre), Stress, Tabuisierung, unausgesprochene Bedürfnisse, sexueller Leistungsdruck (z.B. durch Partner od. Medien) und Konflikte sein. Ein funktionierender Umgang damit kann durch reden, Akzeptanz, Selbstreflexion, gemeinsame Entdeckung der Sexualität, Humor, Flexibilität (Variationen), gemeinsame Wissensaneignung (über Bücher, Medien usw.) oder eine Sexual- / Paartherapie erreicht werden. Letztere Möglichkeit sollte jedoch rechtzeitig in Erwägung gezogen werden, da auch mit Hilfe der besten Therapeuten nichts mehr zu retten ist, wenn die Differenzen zu groß geworden sind.
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Nach der Mittagspause erkundigte sich Fr. Bramborg, ob sie mit der bisherigen Gestaltung des Seminars und den Inhalten auf dem richtigen Weg ist (war auch für sie die erste derartige Veranstaltung). Es gab rundum Zustimmung.Weiter ging's mit "Ritualen der Nähe".
Wir sprachen über Humor, Phantasie, Ehrlichkeit, Mut, Zuhören, Zärtlichkeit, Offenheit, Ruhe, Flexibilität und Geduld. Die Erörterung, wie die Partnerschaft in Bezug auf das jeweilige Schlagwort erlebt wird ergab, dass keiner dieser Aspekte für sich allein ausschlaggebend sein kann. Die Teilnehmer analysierten sich diesbezüglich selbst, erläutern ihre Stärken und Schwächen.
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In der folgenden Kleingruppenarbeit machten wir uns Gedanken über Rollenbilder und Erwartungen bei Männern und Frauen. Wir diskutierten, was sich die Partner wünschen könnten, was beim Sex schiefgehen kann und was sich künftig ändern sollte. Die Auswertung der Frage, was passieren könnte, wenn Mann und Frau die Körper tauschen, löste allgemeine Heiterkeit aus. Trotzdem wurde die Frage letztlich mit der notwendigen Ernsthaftigkeit bearbeitet. Die meiste würden sich für die erogenen Zonen der Frau interessieren und wie Frauen den Sex erleben.
Weiter ging's mit der Beantwortung auf am Freitag gesammelte Fragen. Um nach der Alkoholzeit für die Partnerin wieder sexuell attraktiv zu sein, ist es für einige wichtig, körperliche Defizite zu beseitigen. Wir waren uns im Klaren, dass die Frauen Zeit und Beweise der zuverlässigen Abstinenz benötigen. Vor allem sollte man sich zunächst einmal selbst verzeihen und zumindest anfänglich mit Ablehnung umgehen können. Um zum alten Sexleben zurückzufinden, muss Vertrauen auf- und Ängste abgebaut werden. Die Politik der kleinen Schritte, ohne zu viel Erwartung und Druck ist genauso empfehlenswert, wie die Aufarbeitung der Probleme der Vergangenheit. Mit der Schaffung romantischer Szenen, welche gar nicht immer mit Sex enden müssen, drückt man seine Bewunderung aus, zeigt Dankbarkeit und bezeugt ihr Respekt. Grundsätzlich gibt es aber kein Patentrezept. Auch hat Sex nicht für alle denselben Stellenwert. Einige legen mehr Wert auf die Qualität. Die Quantität kann in den Hintergrund treten, wenn andere gemeinsame Interessen vorhanden sind (Kinder, Hobby). Es gibt Paare, oder auch Singles, für die Sex komplett überbewertet wird.
Der Sonntag begann sogleich mit der Feedbackrunde. Dabei wurde klar, dass einige bereits Denkansätze oder gar Lösungen für manches Problem gefunden hatten. Viele Erfahrungen konnten im Seminarraum gemeinsam erarbeitet werden, einige reiften im privaten Gespräch am Abend. Wirklich alle zogen ein durch und durch positives Resümee. Es fielen immer wieder Dankes- und Lobesworte in Richtung der Dozentin Jacqueline Bramborg. Ein paar konnten es sich nicht verkneifen, ihr Fazit humoristisch zu verpacken, was dem Inhalt allerdings in keinster Weise Abbruch tat. Jacqueline bedankte sich für die Offenheit und Ehrlichkeit. Sie zeigte sich beeindruckt vom Vertrauen, welches die Männerrunde ihr gegenüber gezeigt hat. Sie stellte noch einmal fest, dass es keine perfekte Ehe und keine perfekten Menschen gibt. Jeder darf und soll sein, wie er ist und trotzdem sollte jeder bereit sein, an sich zu arbeiten.
Nach dem obligatorischen Fotoshooting wurden Themen für künftige Männerseminare gesammelt. Nächstes Jahr steht "Lebenskrise als Lebenschance" auf dem Programm. Die Anfrage, das diesjährige Thema in einem gemischten Seminar zu behandeln, wurde kritisch gesehen. Einige sprachen nur deshalb so befreit, weil bis auf Fr. Bramborg nur Männer da waren. Besonders problematisch könnte es werden, wenn Paare in solcher Runde offen sprechen sollten.

Zum Schluss wurden noch organisatorische Dinge angesprochen. Es ging unter anderem über die Internetseite, die direkte Weiterleitung der Seminarberichte an die Gruppen und wie Jacken mit der Freundeskreis-Aufschrift geordert werden können. Matthias berichtete vom "Tag der Selbsthilfe" in Hoyerswerda und Fr. Bramborg empfahl uns einen Referenten für eines der nächsten Seminare. Peter erzählte von den Erfahrungen seiner Gruppe, die beratend an der Arbeitsschutzbelehrung einer Firma teilnahm. Das ist durchaus auch eine mögliche Form der Öffentlichkeitsarbeit.
Und schon war das letzte Seminar des Jahres Geschichte. Ralph verabschiedete uns, Teilnehmer-Urkunden wurden verteilt - und das war's.
Ich hoffe, im nächsten Jahr alle gesund und wohlbehalten wiederzusehen und freue mich auf hoffentlich viele neue Gesichter.

Fazit:
Männliche und weibliche Sexualität zeigen Unterschiede, doch die Überschneidungen sind groß. Entscheidend für erfüllte Sexualität sind gegenseitige Achtung, Kommunikation und das Verständnis, das jeder Mensch einzigartig ist.
Uwe Schütze