Bericht Frauenseminar 2024
Endlich war es wieder soweit. Vom 26.04. bis 28.04.24 fand im Querxenland Seifhennersdorf unser jährliches Frauenseminar statt.
Es freuten sich 28 Teilnehmerinnen auf ein interessantes Wochenende. Béatrice Schober und Jacqueline Klieme vom Landesverband der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe waren für die Organisation und Veranstaltung des Wochenendes mit vor Ort. Das diesjährige Seminar stand unter dem Thema: „Eigene Bedürfnisse in der Abstinenz wahrnehmen und durchsetzen“.
Am Freitagabend kamen alle Frauen im Seminarraum zusammen. Zunächst stellte sich jede kurz vor. Einige kannten sich und freuten sich darauf, zu erfahren, wie es den anderen so geht und was es Neues gibt. Es waren auch Teilnehmerinnen dabei, welche zum ersten Mal zum Frauenseminar angereisten. Voller Neugier und mit ein wenig Aufregung, ließen diese sich auf das kleine Abenteuer Frauenseminar ein. Um das Kennenlernen etwas aufzulockern wurden 2 Kreise gebildet. Ein Außen- und einen Innenkreis. Diese schauten sich an. So hatte jede ein Gegenüber. Mit einem Handschlag begrüßten sich die Teilnehmerinnen und dann wurde eine Frage gestellt. Nachdem geantwortet wurde, rückte der Kreis eins weiter und die nächste Frage kam. Dabei handelte es sich sowohl um auflockernde Fragen, als auch ernste Fragen zum Thema Sucht.
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Es gab danach einen Austausch darüber, was denn die Erwartungen an das Wochenende sind. Es bestand Einigkeit darüber, dass wir Frauen unsere Bedürfnisse oft zurückstellen, wenn etwas dazwischen kommt. Ab und an ärgern wir uns auch, zu schnell ja gesagt zu haben und deshalb war die Erwartung an das Wochenendes eher auf die Durchsetzung der Bedürfnisse ausgerichtet. Wir stellten auch fest, dass sich das Erkennen der eigenen Bedürfnisse verändert hat. Solange sich alles um das Suchtmittel drehte, waren auch die Bedürfnisse dahingehend ausgerichtet, auch bei den Angehörigen. Je mehr Abstand zu dieser Zeit, also mit andauernder Abstinenz, nimmt die eigene Reflektion und damit das Erkennen der eigenen Bedürfnisse zu. Interessant war an dieser Stelle, dass eine der angehörigen Frauen sagte: Ich glaube, ich sage jetzt zu schnell nein. Gut eingestimmt auf die Thematik freuten sich alle auf den nächsten Tag.
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Am Samstag begrüßten wir Katrin Leithold (Sucht- und Familientherapeutin) und Heidi aus Döbeln. Katrin übernimmt schon seit vielen Jahren den fachlichen Input des jährlichen Frauenseminars.
Nach einem kurzen Willkommen, ging es direkt ans Thema.
Vielen von uns haben schonmal etwas von der Bedürfnispyramide nach Maslow gehört. Dabei geht es um die Grundbedürfnisse des Menschen.
1. Physische Grundbedürfnisse, wie Essen, Trinken, Atmen, Gesundheit, Kleidung
2. Sicherheitsbedürfnisse: Wohnung, Sicherheit, Einkommen
3. Soziale Bedürfnisse: Familie, Liebe, Platz in der Gemeinschaft, soziale Zugehörigkeit
4. Wertschätzung und Anerkennung: Lob, Erfolg, positive Beachtung
5. Selbstverwirklichung: sein Leben gestalten, Individualität, Talententfaltung.
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Wenn man das Ganze als Eisberg betrachtet, liegen unter der Wasseroberfläche (innerlich) die Grundbedürfnisse, die Gefühle und die Gedanken.
All das hat Einfluss auf das, was letztendlich an der Wasseroberfläche (äußerlich) auftaucht. Das ist nämlich das Verhalten. So ist gut zu verstehen, warum sich auch unser Verhalten, unser Auftreten, unsere Sprache usw. im Leben überhaupt verändern.
Wir Suchtbetroffenen können auch feststellen, dass sich unser Verhalten mit andauernder Abstinenz selbstsicherer, selbstbewusster und mit höherer Autonomie gestaltet.
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Katrin hat mit uns verschiedene Übungen zur Thematik durchgeführt. So hat sie z.Bsp. einen Faden auf den Boden gelegt, am Ende des Fadens stand als Symbol dafür, dass die Fähigkeiten eines jeden unterschiedlich aber einzigartig und toll sind ein Pinguin. Pinguine sind an Land steif und unbeweglich, aber wahnsinnig gewande, schnelle Schwimmer.
Die Teilnehmerinnen bekamen jetzt eine Karte und sollten diese auf dem Faden ablegen. An welcher Stelle entschied sich darin, in wie weit man meint für seine eigenen Bedürfnisse gut einstehen zu können. Also auch die Fähigkeit besitzt gut NEIN sagen zu können. Es landeten viele Karten im oberen (schlechte Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse), aber auch einige im unteren (gute Durchsetzung) Bereich. Das ganze wurde mit Blick auf die Zukunft wiederholt. Hier rückten die Karten enger zusammen. Der Großteil von uns hatte angenommen, dass es sicher gesund wäre im Mittelfeld zu landen. Der Faden bewies aber, dass dies auch auf Sicht schwer möglich ist.
Eine beruhigende Erkenntnis stellte sich bei uns ein, als erklärt wurde, dass es auch okay ist viel ja zu sagen und sich etwas zurückzustellen, wenn sich dies im gesunden Maß zu den eigenen Bedürfnissen steht. Wir sind aus Gründen ebenso, wie wir sind.
Natürlich ist es für uns als Suchtbetroffene enorm wichtig sich zu reflektieren und von oben auf uns zu schauen, wo wir stehen und zu erkennen, dass es wichtig ist auch ein NEIN zu äußern. Das können wir auch. Wir sagen ganz klar NEIN zum Suchtmittel. Ein ganz klares NEIN Danke kommt so zum Beispiel zum angebotenem Glas Sekt. Das meist ohne Erklärung, sondern stark und eindeutig in Haltung und Aussprache.
Zum NEIN sagen gab es auch eine Übung. 2 Frauen saßen sich gegenüber. Eine von beiden dachte an eine Situation mit einem starken NEIN, packte dies in eine Faust und schloss diese ganz fest. Die Andre versuchte diese durch Worte, streicheln u.ä. zu öffnen. Dies war schwer möglich. Als sie sich dann doch öffnen ließ, war das NEIN aber irgendwie im Inneren verblieben.
Im Freien spannten wir dann ein Tuch und hoben oder senkten dieses je nach Antwort auf eine Frage.
Wir verabschiedeten Katrin und Heidi am Nachmittag. Es war ein sehr Interessanter und erkenntnisreicher Vortrag, mit einer hohen Stärkung in unserem Abstinenzbewusstsein.
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Der Tag war ja noch nicht vorbei. Da das Wetter besonders schön war, wurden die Teilnehmerinnen für eine Achtsamkeitsübung in 6 Gruppen aufgeteilt. Sie erhielten eine Packung mit verschieden Bildern von Gegenständen, welche sie im Wald finden sollten. Zusätzlich bekamen sie ein Arbeitsblatt zum Thema NEIN sagen:
Macht euch über folgende Fragen Gedanken und tauscht euch aus:
Wann hast du zuletzt nein gesagt?
In welchen Fällen fällt es dir schwer Nein zu sagen und deine Bedürfnisse durchzusetzen?
Was könnte der Grund dafür sein, steckt ein anderes Bedürfnis dahinter?
Es wurde sich beim spazieren und suchen im Freien aktiv über die Fragen und Erfahrungen im Suchtkontext ausgetauscht. Die Auswertung dazu fand am Sonntagvormittag statt.
Den Inhaltsreichen Samstag beendeten wir mit einer Meditation, um entspannt in den Feierabend gehen zu können. Am Abend wurde beim Zusammensein weiter über all die Dinge gesprochen, welche uns beschäftigen. Auch dieser Austausch ist wichtig und macht das Seminar so wertvoll.
Bei der Auswertung der Arbeitsblätter am Sonntag, stellten wir nochmal fest, dass ein großes Bedürfnis die Zugehörigkeit ist und dies einer der Schwierigkeiten beim nachgehen der eigenen Bedürfnisse ist. Wer öfter NEIN sagt, egal aus welchen Gründen (dies kann auch Krankheit sein), steht vor der Herausforderung sich weiterhin dazugehörig zu fühlen. Dies zeigte uns wieder einmal, wie wichtig die Treffen in Selbsthilfegruppen sind.
Am Ende des Seminars gaben alle noch ein Feedback. Das Wochenende wurde als sehr wertvoll und lehrreich empfunden. Ein großer Dank für dieses tolle Wochenende an alle Teilnehmerinnen, Gestaltern und vor allem auch an Katrin Leithold.
Jacqueline Klieme