"ICH WILL JETZT ALLEINE LAUFEN"

Zu diesem Thema fand vom 06.-08.07.2007 unser 2. Betroffenenseminar in Schirgiswalde statt. Aus 10 Freundeskreisen Sachsens waren 38 Freunde und Freundinnen angereist. Am Freitag (nach dem wie immer leckeren Abendessen) trafen wir uns zu einer Gesprächsrunde, um uns auf das Wochenende einzustimmen. Dabei stellten wir fest, dass "alleine laufen" von jedem anders interpretiert bzw. auf etwas anderes bezogen wird. Dabei spielten auch die unterschiedlichen Sichtweisen Betroffener und Angehöriger eine entscheidende Rolle.
Danach erfolgten noch einige Informationen zum Bundeskongress 2008 in Brandenburg:
sowohl die Gruppen als auch der Landesverband kümmern sich um die Aufbringung der Teilnehmerbeiträge (140,- € p.P.)
es ist notwendig, langfristig dafür zu sparen
der Termin für die Anmeldung der Teilnehmer ist unbedingt einzuhalten.

Mit gemütlichen Gesprächsrunden in unseren Häusern ließen wir den Abend ausklingen.
Nach dem Frühstück am Samstag durften wir Frau Sawatzky von der Diakonischen Akademie Moritzburg als Referentin begrüßen. Zu Beginn wurden unter Einbeziehung aller Teilnehmer noch einmal die verschiedenen Möglichkeiten des "Alleinelaufens" zusammengetragen. Dabei stellten wir fest, dass dieses Thema auf so ziemlich jede Lebenssituation passt.
Hier nur einige Beispiele:
Eigenverantwortung übernehmen bzw. übernehmen lassen,
einander Freiräume zugestehen,
miteinander leben, ohne ständig "aneinander zu kleben",
sich vom Alkohol befreien,
loslassen können bzw. sich loslösen,
"allein" = selbstständig, jedoch nicht in der Bedeutung von "einsam" u.v.m.
Die Referentin hatte uns einige Bilder mitgebracht, die wir interpretierten.
Hier ein Beispiel:
Ein Mensch alleine - aber nicht ganz (der eigene Schatten),
sich Zeit nehmen,
die Zeit zurückdrehen wollen,
es ist vor 12 ...

Um den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen, konzentrierte sich Frau Sawatzky in ihrem äußerst interessanten Referat auf die Arbeit in den Selbsthilfegruppen. Beispielsweise kommt es oft vor, dass langjährige Gruppenmitglieder plötzlich wegbleiben, weil sie der Meinung sind, dass sie die Gruppe nun nicht mehr brauchen und alleine laufen wollen. Vielfach geht das "nach hinten los", weil auch ein Mensch, der gefestigt ist und jahrelang zufrieden abstinent lebt, in eine Problemsituation kommen kann, wo es von großem Vorteil ist, sich mit Gleichgesinnten darüber austauschen zu können.
(Anmerkung: Frau Sawatzky hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ihren Vortrag per Mail an die Geschäftsstelle zu senden. Auf Wunsch schicken wir ihn dann auf CD an die einzelnen Gruppen.)
Die nachmittägliche Kleingruppenarbeit war sehr interessant und ergebnisreich. Dabei wurden u.a. folgende Gedanken herausgearbeitet: Es ist nicht möglich, absolut alleine zu laufen. Schließlich sind die Menschen soziale Wesen und keine Solisten im luftleeren Raum. Am schwierigsten ist das erste Jahr der Abstinenz, sowohl für den Betroffenen selbst als auch für seine Angehörigen. Man muss sich in vielen Dingen neu orientieren und aufeinander einstellen, was natürlich auch Konflikte hervorrufen kann. Selbständig Entscheidungen zu treffen gehört zum Menschen, aber zu sehr allein laufen kann zur Vereinsamung führen - Rückfallgefahr
Allein (=selbständig) gehen in der Gemeinschaft. Besonders gut hat mir ein Zitat gefallen: "Der Mensch kann alles entbehren, nur den Menschen nicht."
Weiterhin wurden Vorschläge für künftige Seminarthemen gemacht:
Helfersyndrom
Sexualität in der Abhängigkeit
Die Sucht der Eltern aus der Sicht der Kinder
Die Tradition des Alkoholtrinkens.
Eventuell sollte man am Freitag ein Kurzreferat zu einem anderen Thema einplanen und nicht auf den Samstag vorgreifen.
Den Abend verbrachten wir gemeinsam am Lagerfeuer.

Der Sonntag begann mit einem reichhaltigen Frühstück. Danach sprach Wolfgang seine Gedanken zum Sonntag, in denen er darlegte, dass die Natur nicht des Menschen Eigentum ist, sondern nur geliehen, damit er sie nutzen (nicht ausnutzen) und verwalten möge für künftige Generationen von Menschen. Das Leben jedes einzelnen soll sinnvoll und menschenwürdig sein, und dazu leistet die Selbsthilfe (= gegenseitige Hilfe) einen wichtigen Beitrag. In sein darauf folgendes Gebet schloss Wolfgang uns alle mit ein.
Als nächstes wurde traditionsgemäß das Wochenende ausgewertet. Uwe stellte die Frage, ob die sehr große Teilnehmerzahl als störend empfunden wurde und man evtl. künftig bei 25 "zumachen" sollte. Einstimmig wurde geäußert, dass es auf keinen Fall vorteilhaft sei, jemanden abzuweisen, für den die Teilnahme an solchen Weiterbildungsveranstaltungen wichtig wäre ("Lieber zwei Mann mehr, als wenn welche auf der Strecke bleiben!").
Die Teilnehmer äußerten sich dahingehend, dass sie interessiert und gespannt, aber auch ein bisschen skeptisch waren, sowohl in Bezug auf das Thema als auch die Anzahl der Leute. Umso angenehmer überrascht waren sie von dem sehr guten und interessanten Referat sowie von dem guten Arbeitsklima und der hervorragenden Disziplin in dieser großen Runde. ("Das war wieder mal ne kleene Wucht!").
Sehr gelobt wurden auch Organisation und Durchführung des Seminarwochenendes sowie die ausgezeichnete Verpflegung. Vielen Dank an die Damen vom Feriendorf Fuchsberg.
Abschließend bedankte sich Wolfgang bei allen Anwesenden für die gute Mitarbeit und Disziplin, die maßgeblich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben.
Nach einem Mittagessen in gewohnter Lecker-Qualität verabschiedeten wir uns - nun seelisch und körperlich gestärkt - von einander.

Anmerkung: Vielen Dank an alle, und ich hoffe, wir sehen uns bei nächster Gelegenheit wieder.
Bea